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"Let there be Trash!"

Interview mit Oliver Tietgen, Jens Holzheuer und René Wiesner, den Machern von ABCs OF SUPERHEROES. 

geführt: Oktober 2016

Von links: Oliver Tietgen, Jens Holzheuer,

Jörg Buttgereit und René Wiesner

GhostShit: Hallo lieber Jens Holzheuer ! Hallo lieber Oliver Tietgen! Hallo lieber René Wiesner!
Ihr seid die drei Macher der deutschen Trash-Sensation ABCs OF SUPERHEROES. Könnt ihr euch kurz den Lesern vorstellen? Was ist euer bisheriger Werdegang?


Oliver: Ich habe meine ersten Filme bereits damals auf Super-8 gedreht (dann VHS-C und dann Mini-DV, bis es endlich mit den HD-Kameras losging) und nun lebe ich mit meiner Produktionsfirma Bösewicht Film davon, Filme für Agenturen, Marken und Bands zu drehen. Die ABCs sind meine ersten und hoffentlich nicht letzten Schritte im Bereich Spielfilm.
Jens: Ich liebe Filme seit ich denken kann und mit meinem Papa das Gruselkabinett im dritten Programm gekuckt habe. Ich wollte nie etwas anderes machen als beim Film zu arbeiten und dann gab es eine super Gelegenheit bei einer TV-Serie, wo ich erst Praktikant war und später ins Producer-Team kam.
Soweit es möglich war hab ich zwischen diversen Jobs bei Werbung, Musikvideo, Kurzfilmen immer versucht eigene Projekte auf die Beine zu stellen, aber die waren immer eher kleinerer Natur, deshalb war ABCs so wichtig für mich um endlich ein großes Projekt auf die Beine zu stellen.
René: ABCs ist meine persönliche Filmschule gewesen, meine erste praktische Erfahrung. Seitdem habe ich an verschiedenen Kurz- und Langfilmen gearbeitet und mit einem Freund eine eigene Produktionsfirma gegründet.


Ghost: In eurem Film klappert ihr das Alphabet ab. Zu jedem Buchstaben präsentiert ihr einen abgefahrenen Superhelden oder Bösewicht. Deshalb gleich die wichtigste Frage zuerst: Marvel oder DC? Oder ist euch das egal? Wie wichtig war euch das Superhelden-Thema im Film überhaupt?


Oliver: Früher hätte ich als Spider-Man-Fan Marvel gesagt, aber heute findet man die interessantesten Comics eher bei den Indies, genauso wie im Filmbereich die Indies auch die interessanteren Werke zu bieten haben. Aber da ich mit Superhelden aufgewachsen bin, sind sie mir sehr wichtig und trotz der mannigfaltigen Crossover und UniverseReboots, die DC und Marvel immer wieder auf den Leser loslassen, schaue ich auch bei denen gerne immer mal in ein Heft.


Jens: Ich trenne da nicht nach Verlagen. Ich lese sehr viel Comics. Als Kind schon Micky Maus, alles von Carlsen und auch Superhelden Zeug wenn ich da ran gekommen bin. Bei dem berüchtigten Neunziger Jahre ComicBoom hab ich dann auch angefangen amerikanische Comics zu kaufen und mich da etwas intensiver mit zu beschäftigen. Insgesamt kann ich auch hier sagen, ich liebe lustige Geschichten genauso wie brutalen
Quatsch, Mainstream oder Independent, eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte. Im Film wollten wir schon explizit alle Klischees, die es über Superhelden gibt aufgreifen und die mit einem Augenzwinkern verarbeiten und das so wild und verrückt wie möglich.


GS: Wo liegen eure Einflüsse, wo habt ihr Vorbilder? Troma, deutscher UndergroundSplatter, 80er-Jahre-Kindheitserinnerungen oder doch japanische Godzilla-Filme?

 

Jens: Wieviel Platz hast Du in der Zeitschrift? :D Ich liebe ALLE Filme und bin erstmal immer neugierig und will alles sehen. Es gibt kein Genr, an dem ich nicht irgendwas cooles für mich finden kann. Ich liebe Jim Wynorski genauso wie Andrei Tarkovsky.
Den größten Einfluss auf meinen persönlichen Film-Stil hatten sicherlich die New Hollywood Filme der Siebziger in Bezug auf Figurenzeichnung und welche Art von Character Arcs ich bevorzuge und die Actionfilme der Achziger Jahre in Bezug auf geile Explosionen und Schiessereien.

 

Oliver: Alles was Du genannt hast und noch viel mehr. Als Filmemacher sollte man allen Genres aufgeschlossen sein. Besonders interessant sind für mich natürlich immer Sachen, die eine „fantastische" Komponente haben. German Splatter hat eigentlich eher Mut gemacht, im Sinne von: Achso, sowas kriegen wir doch auch hin.
René: Alles beeinflusst einen auf kurz oder lang doch irgendwie. Bei mir fing es im Kindesalter mit Genrefilmen an und endete in einer Liebe zum Kino im Allgemeinen. Ich liebe Bruno Mattei und Tommy Wiseau so wie Stanley Kubrick und Werner Herzog liebe – das ist kein Widerspruch für mich.


GS: Electric Eel Woman, Menstru Girl, Orgasmic Octopus – auf welche SuperheldenKreation seid ihr besonders stolz? Gibt's zu irgendeinem Charakter eine witzige Entstehungsgeschichte?

René: Nonster hat sich als absoluter Chicks-Terminator vor wie auch hinter der Kamera herausgestellt. Aber meine Lieblingsepisode ist und bleibt Jesus Space Missionary.

Jens: Riesenspaß hatten wir bei "D" weil wir wirklich an dem Set alles kaputt machen und einsauen konnten ohne Rücksicht zu nehmen; "F" war großartig weil wir die tollsten Locations hatten, eine original siebziger Jahre BowlingBahn und einen gewölbemäßigen Eiskeller aus dem 19. Jahrhundert; der Dreh für "T" bei dem wir die ganzen Kinder gekillt haben war superwitzig, weil die Kleinen einfach toll mitgemacht haben. Meine persönlichen Favoriten sind "B-Bonarr" weil der Hauptdarsteller sich so super in die Rolle reingestürzt hat und wir da viel rausgeholt haben; und "N-Nonster" weil das eigentlich eine kleine geschmacklose Sitcom Parodie werden sollte und plötzlich entwickelte sich das zum ätzenden Horrortrip, ich finde die Stimmung und die Bilder die wir da haben fantastisch.

Oliver: Ich mag die SciFi-Episode J am liebsten, weil sie so gut aussieht. Zu der Episode M kann man sagen, dass wir in der Nähe eines Kinderspielplatzes gedreht hatten und nachdem unser Darsteller Kerem mit Blut vollgespritzt war, lief eine Mutter mit ihrem Kind vorbei und hat ihrem Kind die Augen zugehalten und uns mit einem Blick abgestraft, der hätte töten können.
Als wir mit Bai Ling in ihrem Hotelzimmer gedreht hatten, könnte man anmerken, dass das der heißeste Wohnraum war, den wir in unserem Leben je betreten haben. Wir waren innerhalb von Sekunden durchgeschwitzt und haben danach erst einmal zwei Liter Wasser trinken müssen. Daher glauben wir nun, dass Bai Ling eine Außerirdische ist, wie in V, die Außerirdischen.

Oliver Tietgen

Jens Holzheuer

René Wiesner

Von links: Jens, Oliver und René

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"I am Bored!"

"Hakuna Matata Bitches!"

GS: ABCs OF SUPERHEROES beinhaltet Fäkalhumor, viele nackte Damen und Kinder werden von einem Einhornmann gekillt. Muss Trash immer so derb sein?
 

Oliver: Ja, unbedingt. Blood, Boobs & Beasts, die drei Bs nach Don Dohler, müssen drin sein. Gleichzeitig kann man in so einem Genre gut eigene Meinungen und Subtexte verstecken, die man dann vielleicht erst auf den zweiten Blick erkennt.
 

René: Absolut! Alles andere gibt es doch im Mainstream zuhauf. Der Indiefilm muss Grenzen überschreiten und Tabus brechen um sich Gehör zu verschaffen.
 

Jens: Ich hoffe ich liege da nicht völlig falsch, aber der Eindruck den ich von den Zuschauerreaktionen habe - und auch durch persönliche Gespräche mit Zuschauerinnen - war nicht, dass wir zu viele nackte Frauen im Film hatten, sondern schlicht zuwenig nackte Männer. Und ich gebe zu, da hätten wir auf jeden Fall einen Gegenpol herstellen müssen, das holen wir beim nächsten mal nach… oder auch nicht.


GS: Der Film wirkt ja nicht unbedingt teuer produziert. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das täuscht. Was war das aufwendigste am Film? Auf welche Probleme stößt man, wenn man mit wenig Budget dreht?

 

René: Die meisten Darsteller haben Gagen bekommen und eine Bai Ling arbeitet auch nicht for free. Und wenn die Dreharbeiten über ein Jahr lang andauern kommen da noch ganz andere Kosten hinzu von denen man gar nicht zu Träumen wagt.
 

Oliver: Die größte Hürde waren die Menschen. Bei knapp 200 Darstellern, denen Du keine großen bis gar keine Gagen zahlen kannst, brauchst Du ein bisschen Überzeugungskraft, besonders wenn draußen schönes Wetter ist. Außerdem, wenn Du über ein Jahr drehst und am Set Deine Darsteller auch etwas essen und trinken wollen, kostet allein das bei 90 Drehtagen eine Menge.


GS: Wie hoch war das Budget, wenn ich fragen darf?

 

René: Einige Darsteller dürfen nun die Namen unserer Erstgeborenen wählen und unsere Seelen gehören jetzt dem Teufel. Von Geld sprechen wir da lieber gar nicht erst.
 

Jens: Nach dem vierte Bier sagen wir gerne "eine Million“.
 

Oliver: Viele haben uns ja Locations und Ihre Arbeitskraft umsonst gegeben oder auf Rückstellung gearbeitet. Würden wir diese Posten mit einrechnen wäre das Budget ja noch viel höher.
 

GS: Habt ihr viel Überzeugungsarbeit bei Uwe Boll und Jörg Buttgereit leisten müssen, um sie für das Projekt zu begeistern? Wie um alles in der Welt habt ihr Lloyd Kaufman und Bai Ling ins Boot geholt?
 

René: Unser „Glück“ war es, dass wir bereits recht früh vorzeigbares Material hatten mit dem wir auf einige Namen zugehen konnten. Und gerade diejenigen, die selber Filme machen wie Butti oder Uwe waren extrem unkompliziert. Bei Bai Ling musste ich betteln und wahrscheinlich hatten wir einfach Glück.
 

Jens: Bei Lloyd Kaufmann haben wir versucht im Troma-Hauptquartier anzurufen, doch das Telefonsystem dort ist so kafkaesk, dass wir nach einer halben Stunde Tastendrücken und Voice-Boxes besprechen aufgegeben hatten. Letztlich haben wir ihn über Twitter erwischt.  Ich bin eines Morgens aufgewacht und hatte eine Mail mit einem fünf Gigabyte Anhang. Wer zum Teufel verschickt denn sowas? Als ich die dann öffnete waren das Videoclips, die Lloyd persönlich für uns aufgezeichnet hat. Ich habe noch nie am frühen Morgen so breit gegrinst vor Freude.

GS: Wie kam der Film bislang im Ausland an? Würdet ihr sagen, das ist typisch deutscher Humor? Und versteht man den im Ausland überhaupt?

 

Oliver: Bis jetzt hat der international ganz gut funktioniert. Die Leute lieben oder hassen uns, ganz egal wo sie herkommen und welche Sprache sie sprechen. Dazwischen haben wir kaum Emotionen mitbekommen.
 

René: Gerade im Ausland kommen wir recht gut an. Wir bekamen positive Reviews und liefen und laufen weiterhin auf wichtigen Festivals wie u.A. als einziger deutscher Film auf dem weltberühmten BIFFF – Brussels International Fantastic Film Festival. Liegt das nun am deutschen Genrefilm oder an uns?
 

Jens: Ich glaub vieles was mir machen ist sehr universal und daher kommt der Film auch überall gut an. In Japan haben wir einen Preis beim FetiFilmFest bekommen, wahrscheinlich weil denen unsere Mischung aus coolen hautengen Kostümen und Exploitation so gefallen hat… oder vielleicht nur wegen des geilen Tentakels.


GS: Ich habe ABCs OF SUPERHEROES auf dem Fantasy Filmfest in München gesehen und war aufrichtig begeistert. Glaubt ihr, Trash wird langsam salonfähig? Wo seht ihr die Zukunft des deutschen Independentfilms?

 

Jens: Danke für die Blumen! Ich freu mich unglaublich, dass ich viele der Filme, die es damals nur selten und in schraddel Qualität gab heute überall auf Silberling erhältlich sind. Anfangs war ich nicht sicher ob ich möchte dass Trash massentauglich wird. Man mümmelt sich ja doch gern in eine Nische ein und hält sich für etwas besonderes, mit einem Hobby das sonst niemand hat. Aber ich gebe zu ich finde es super wenn zur besten Sendezeit auf Tele5 irgendwelche Monsterfilme laufen. Ich hoffe das wird noch viel mehr Wellen schlagen. Genauso wenn Filmemacher, die mit Exploitation angefangen plötzlich große Hollywood Filme drehen, dann freu ich mich einfach für die Leute, weil die auch irgendwann mal einfach nur lustige, blutige Filme machen wollten.
 

René: Filmemachen wird technisch immer einfacher, was gut für Indies ist – auf der anderen Seite wird der Markt dadurch so sehr geflutet, dass Vertriebe immer weniger für die Rechte bezahlen. Und wenn dann ein Uwe Boll, der mit allen Wassern gewaschen ist, meint, dass es nicht mehr lohnend sei Filme zu machen ist das kein gutes Zeichen für die Zukunft.
 

Oliver: Die Zeit wird zeigen, ob sich neue, lohnende Vertriebswege für Indies finden werden - VOD ist ja in vollem Gange, wirft aber nicht genug für die Filmemacher ab. Ansonsten wird das bei ein sehr teures Hobby bleiben.

GS: Was sind eure nächsten Projekte? Irgendwelche verrückten Ideen, die euch vorschweben?
 

Jens: Nach dem ganzen Quatsch drehe ich jetzt einen tiefernsten, meditativen elfstündigen Zyklus über nautische Flaggensignale.
 

René: Momentan fühle ich mich als unabhängiger Producer recht wohl. Gerade haben mein Kollege Patrick Templin und ich mit der Vorproduktion zu Reyes begonnen zu dem wir im Dezember mit dem Teaserdreh beginnen. Außerdem wird Anfang 2017 der Langfilm Skatecop – Rache auf Rollen auf die Welt losgelassen.
 

Oliver: Ich drehe eine SciFi-Film mit Bianca Bradley (Wyrmwood) und Michael Berryman (The Hills have Eyes) mit dem Namen Violent Starr. Es gibt schon viele Raumschiffmodelle und Aliens auf unser Facebookseite zu sehen und mit Bianca hatten wir auch schon einen Drehtag für einen Teaser. Das wird zwar etwas ernster als die ABCs, aber genauso wild, sexy und blutig.

GS: Vielen Dank für das Interview, Leute! Ich wünsch euch viel Erfolg für die Zukunft und noch ganz viele crazy Kopfgeburten!

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